Der Andere in der zeitgenössischen humanbiologischen Wirklichkeit: Theoretische und empirische Untersuchungen zum humanbiologischen Menschenbild im 20. Jahrhundert in Deutschland
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätAbstract
Drei forschungs- und wahrnehmungsleitende Paradigmata beherrschten die frühen biologischen Wissenschaften vom Menschen: der Glaube an die Überlegenheit der eigenen "Rasse", die Idee vom Fortschritt der Menschheit und der biologische Determinismus. Die in der frühen humanbiologischen Wirklichkeit dominierende protonormalistische Strategie erschuf einen Anderen, der mit den Stigmata des "Entarteten" ausgestattet war und als Gefährdung für die "natürliche Ordnung" angesehen wurde. Im Rahmen des Projektes sollte festgestellt werden, ob sich in der zeitgenössischen Humanbiologie modernistische Elemente und Diskurse finden, ob normalistische Strategien wirksam sind, und ob ein ähnlicher "Anderer" konstruiert wird. Zu diesem Zweck wurden Interviews mit humanbiologischen Experten geführt und ausgewertet und bedeutende humanbiologische Lehrbücher untersucht.
Die Analyse von drei wichtigen zeitgenössischen humanbiologischen Lehrbüchern hat ergeben, dass sich vom frühen "Anderen" noch viel in der zeitgenössischen Humanbiologie finden lässt. Er wird erzeugt und aufrechterhalten von denselben Trugschlüssen, Voreingenommenheiten und Ideologien, die auch seine Vorfahren konstruiert hatten. Besonders hilfreich ist dafür die protonormalistische Strategie. Zwischen den einzelnen humanbiologischen Teilwissenschaften - Anthropologie, Humangenetik, Humanethologie - konnten Unterschiede festgestellt werden, sowohl was die Intensität der modernistischen Motivation betrifft, wie auch den Grad an normalistischer Ausgestaltung des Anderen. Im Hinblick auf den Bildungsauftrag und die praktischen Anwendungen der zeitgenössischen Humanbiologie muss diese modernistische Ausrichtung einer Kritik und Korrektur unterzogen werden. Die zeitgenössische Humanbiologie kann ihren Übergang in die Postmoderne nur vollziehen, wenn sie auf die Schaffung des Anderen verzichtet und Differenz nicht mehr als zu überwindendes Ärgernis, sondern als Notwendigkeit anerkennt.
Date created
2004
Subject headings
[GND]: Der Andere | Humanbiologie | Menschenbild | Postmoderne[LCSH]: Biology. Philosophy
[Free subject headings]: Normalismus
Metadata
Show full item recordDOI & citation
Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-533
Gommel, Michael (2005): Der Andere in der zeitgenössischen humanbiologischen Wirklichkeit: Theoretische und empirische Untersuchungen zum humanbiologischen Menschenbild im 20. Jahrhundert in Deutschland. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-533
Citation formatter >