Modulation des Kontrollnetzwerkes für Nahrungsaufnahme: Eine kombinierte fMRT- und rTMS-Studie an gesunden Probanden

Erstveröffentlichung
2018-07-24Autoren
Steigleder, Leon
Gutachter
Grön, GeorgKassubek, Jan
Dissertation
Fakultäten
Medizinische FakultätInstitutionen
UKU. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie IIIUKU. Klinik für Neurologie
Zusammenfassung
Die schnelle und maximale Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist in den heutigen Industrieländern beinahe jederzeit möglich. Resultierend in vielfältigen Erkrankungen wie Übergewicht und Adipositas, führen diese Umstände zu großer Belastung der Betroffenen und des Gesundheitssystems. Therapieansätze werden nicht zuletzt im psychiatrischen Sektor gesucht; schließlich formt das menschliche Gehirn eben jenes Verlangen (oder Craving) aus, welches die Grundlage für diese Leidenszustände bildet. Demgegenüber gibt es offenbar auch intrinsische Kontrollsysteme, welche durch interindividuelle Ausprägung das persönliche Cravingerleben bestimmen. Ein klassisches Kerngebiet des Verlangens und der Salienz bildet die Area tegmentalis ventralis (VTA), während kognitive Kontrollmechanismen vermutlich in präfrontalen Rindengebieten lokalisiert sind. Ziel dieser Arbeit war eine indirekte Modulation der VTA durch transkranielle Magnetstimulation (TMS) eines mit der VTA verbundenen präfrontalen Kontrollareales. Dazu wurde zunächst bei zwanzig gesunden, männlichen Probanden per Resting-State-Messung in funktioneller Magnetresonanztomographie (rsfMRI) nach einem rechtspräfrontalen Cortexareal mit negativer Konnektivität zur VTA gesucht. Dieses Cortexareal wurde in zwei weiteren Sitzungen mit zwei TMS-Protokollen, der kontinuierlichen und der intermittierenden Theta-Burst-Stimulation (cTBS und iTBS), moduliert. Alle Sitzungen wurden von einer Kombination aus funktionell magnetresonanztomographischer Messung und einem Nahrungsmittelexperiment, welches niederkalorische (LC) und hochkalorische (HC) visuelle Reize lieferte, begleitet, so dass die Stimulus-abhängige Hirnaktivität zwischen den drei Sitzungen (Baseline, cTBS und iTBS) verglichen werden konnte. Bei der schlussendlichen Auswertung der Datensätze der fünfzehn übrigen Probanden konnten gleichgerichtete Effekte der cTBS und iTBS auf die kaloriensensitive neuronale Aktivierung im rechten mittleren ventrolateralen präfrontalen Cortex (dem Stimulationsort), bilateral im orbitofrontalen Cortex, in der rechten Amygdala und in der VTA beobachtet werden. Bezüglich der Effektstärke, nicht jedoch der Effektrichtung, wichen die beiden TMS-Protokolle auseinander in der rechten Amygdala, im linken dorsalen Nucleus caudatus und in der linken anterioren Insula. Beide TMS-Protokolle führten außerdem zu einer Annäherung der Reaktionszeiten auf nieder- und hochkalorische Stimuli, insbesondere durch die Aufhebung des initialen (in der Baselinemessung) signifikanten Reaktionszeitenvorsprunges auf hochkalorische Stimuli. Zusätzlich zeigte die Erhebung des Fragebogens zum Essverhalten (FEV) positive Korrelationen zwischen neuronalen Treatmenteffekten im rechten präfrontalen Cortex beziehungsweise in der VTA und den FEV-Subskalen 1 (Kognitive Kontrolle des Essverhaltens) und 2 (Störbarkeit des Essverhaltens). Diese Ergebnisse suggerieren, dass TMS des rechten mittleren ventrolateralen präfrontalen Cortex die durch visuelle Nahrungsmittelreize vermittelte kaloriensensitive neuronale Aktivierung verschiedener Regionen des sogenannten „Nahrungsmittelkontrollnetzwerkes“ modulieren und so zu einer „Verschiebung“ der diesbezüglichen Salienz beitragen kann. Diese Arbeit gibt Hinweise auf die mögliche Wirkungsweise der TMS und außerdem auf lokale und entfernte Auswirkungen der Protokolle cTBS und iTBS, insbesondere auf das salienzkodierende System der hedonischen Nahrungsmittelaufnahme. Um diese Hinweise weiter zu ergründen, werden Folgestudien oder Metaanalysen nötig sein; beispielsweise stellt das ausschließlich männliche, junge und gesunde Probandenkollektiv einen wesentlichen limitierenden Faktor dieser Arbeit dar. Auch sind cTBS und iTBS zwar vielversprechende, aber auch noch recht neue Methoden, und bedürfen somit beispielsweise bezüglich der Frage nach der optimalen „Dosierung“ noch weiterer wissenschaftlicher Fundierung.
Erstellung / Fertigstellung
2017
Schlagwörter
[GND]: Nahrung | Salienz | Selbstkontrolle | Transkranielle magnetische Stimulation | Ventrale tegmentale Area | Funktionelle Kernspintomografie[LCSH]: Nutrition
[MeSH]: Nutritional status | Self-control | Transcranial magnetic stimulation | Ventral tegmental area
[Freie Schlagwörter]: TMS | cTBS | iTBS
[DDC Sachgruppe]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Nutzen Sie bitte diesen Identifier für Zitate & Links: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-8406
Steigleder, Leon (2018): Modulation des Kontrollnetzwerkes für Nahrungsaufnahme: Eine kombinierte fMRT- und rTMS-Studie an gesunden Probanden. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-8406
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