Retrospektive Analyse zum Vergleich der Therapie von Peritonsillarabzessen vor und nach Etablierung der aktualisierten S2k-Leitlinie 2015

Erstveröffentlichung
2023-05-30Authors
Barth, Ina Lisa
Referee
Greve, JensSchütze, Konrad
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und HalschirurgieUKU. Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie
Abstract
Die Therapie von Peritonsillarabszessen zeigt national und international große Differenzen auf. Die vorliegende Untersuchung umfasst retrospektiv erhobene Daten von 584 Patienten mit einem Peritonsillarabszess, die im Zeitraum von Januar 2014 bis Dezember 2017 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Ulm stationär behandelt wurden.
Am 15.12.2015 wurde die aktualisierte Leitlinie der Therapie entzündlicher Erkrankungen der Gaumenmandeln/Tonsillitis der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Ulm eingeführt und ab diesem Tag umgesetzt. In der Leitlinie wurde die Indikation zur Tonsillektomie der gesunden Tonsille bei Patienten mit Peritonsillarabszess strenger gestellt, sowie die Empfehlung ausgesprochen, insbesondere bei Patienten mit erhöhtem Narkoserisiko einer Inzision und Drainage den Vorrang zu geben. Das Ziel der retrospektiven Studie war es, das veränderte Vorgehen und generell die Therapieverfahren bei Peritonsillarabszessen zu evaluieren. In unserer Studie erfolgte eine Analyse aller Patienten mit Peritonsillarabszess ohne Altersbegrenzung, sowie der Erhebung weiterer klinischer Daten.
Hauptsächlicher Fokus lag auf der Fragestellung, wie sich die Therapieform - Abszess-Tonsillektomie mit oder ohne Tonsillektomie der Gegenseite in Intubationsnarkose oder Inzision und Drainage in Lokalanästhesie - auf das Nachblutungsrisiko, die stationäre Aufenthaltsdauer und auf die Operationsdauer auswirkte. In den Ergebnissen zeigte sich ein Überwiegen des männlichen (n=358, 61,3 %) zum weiblichen (n= 226, 38,7 %) Geschlecht sowie ein hauptsächliches Auftreten des Peritonsillarabszess zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Ein großer Anteil der Patienten (n= 327, 40,6 %), die an einem Peritonsillarabszess erkrankten, waren aktive Raucher.
Eine Abszess-Tonsillektomie mit kontralateraler Tonsillektomie wurde hauptsächlich vor Einführung der aktualisieren Leitlinie im Jahr 2015 vorgenommen (n=197, 33,7 %). In den zwei Jahren danach wurde ein Peritonsillarabszess vermehrt mittels alleiniger Abszess-Tonsillektomie (n=216, 37 %) oder Inzision und Drainage (n=57, 9,8 %) therapiert.
Wir konnten feststellen, dass es bei einer reinen Inzision und Drainage (n=95, 16,3 %) bei keinem Patienten zu einer postoperativen Nachblutung kam. Bei 56 Patienten (9,6 %) der gesamten Studiengruppe, die mittels Abszess-Tonsillektomie oder Abszess-Tonsillektomie mit gleichzeitiger Tonsillektomie der Gegenseite therapiert wurden, trat eine Nachblutung auf. Jedoch war die Operationsart (der Verzicht auf die Tonsillektomie der Gegenseite) statistisch nicht signifikant für das Auftreten einer postoperativen Nachblutung. Ein weiterer positiver Effekt war, dass sich die Operationszeit durch den Verzicht auf die Tonsillektomie der Gegenseite durchschnittlich um acht Minuten verkürzt hat. Zudem hatte die Etablierung der aktualisierten S2k-Leitlinie einen Effekt auf die stationäre Verweildauer der Patienten. Noch vor der Einführung der Leitlinie wurde vermehrt eine Abszess-Tonsillektomie mit kontralateraler Tonsillektomie durchgeführt und der stationäre Aufenthalt betrug 6,9 Tage. Vor allem durch die vermehrt durchgeführte Operationsform der Inzision und Drainage konnte man die stationäre Aufenthaltsdauer verringern. Dennoch wurden nach Inzision und Drainage Rezidive (n=19/133, 14,3 %) beobachtet, was nach einer Abszess-Tonsillektomie in unserem Beobachtungszeitraum nicht auftrat.
Durch unsere Ergebnisse der retrospektiven Studie kamen wir zur Schlussfolgerung, dass sich der Verzicht auf eine simultane Tonsillektomie der Gegenseite bei entsprechender Anamnese bewährt hat. Durch den einseitigen Eingriff konnte die Operationszeit verringert werden und eine Tendenz zu einer geringeren Nachblutung verzeichnet werden. Man sollte jedoch beachten, dass die simultane Tonsillektomie bei Patienten mit rezidivierend akuten Tonsillitiden in der Anamnese oder bei Hinweisen auf einen beidseitigen Peritonsillarabszess durchgeführt werden soll. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in der Medizin mit immer weiterer Verkürzung der Krankenhausverweildauer zeigt die Auswertung der Nachblutungsraten nach Abszess-Tonsillektomie in unserer Studie, dass insbesondere bei langem Anfahrtsweg zur nächsten behandelnden Klinik ein mehrtägiger postoperativer Krankenhausaufenthalt indiziert ist. Hauptgrund ist die am 6. postoperativen Tag vermehrt auftretende Nachblutung. Generell ist es hinsichtlich der Operationsform und postoperativen Überwachung zu empfehlen, jeden Patienten aufgrund seines Alters und seiner Anamnese inklusive Komorbiditäten individuell zu behandeln und das entsprechende Vorgehen zu wählen.
Date created
2023
Subject headings
[GND]: Peritonsillarabszess | Tonsillektomie[MeSH]: Peritonsillar abscess; Therapy | Tonsillectomy
[Free subject headings]: Complications | AWMF | Smoking | Haemorrhage
[DDC subject group]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48836
Barth, Ina Lisa (2023): Retrospektive Analyse zum Vergleich der Therapie von Peritonsillarabzessen vor und nach Etablierung der aktualisierten S2k-Leitlinie 2015. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48836
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