Molekulare Charakterisierung primärer und rezidivierter Chordome und Untersuchungen zu Protein-Interaktionen des Chordom-Schlüsseltreibers Brachyury

Erstveröffentlichung
2023-05-26Autoren
Seeling, Carolin
Gutachter
Barth, Thomas F. E.Schultheiß, Markus
Dissertation
Fakultäten
Medizinische FakultätInstitutionen
UKU. Institut für PathologieUKU. Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie
Zusammenfassung
Chordome sind seltene maligne Knochentumoren mit hohem lokalen Rezidivierungspotential, die vermutlich embryonalen Überresten der Chorda dorsalis entstammen und vorwiegend entlang des Achsenskeletts auftreten. Als Chordom-Schlüsseltreiber gilt der embryonale Transkriptionsfaktor Brachyury, dessen Rolle in der Entstehung von Chordomen im Detail bislang noch nicht geklärt werden konnte.
Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, welche klinischen und molekularen Faktoren mit dem Wiederauftreten von Chordomen in Verbindung gebracht werden können. Eine Analyse des Ulmer Chordomkollektivs zeigte, dass hohe Proliferationsraten und inkomplette chirurgische Resektionen mit einem erhöhten Rezidivrisiko assoziiert sind. Zudem ergab sich ein signifikant schlechteres Gesamtüberleben der Patienten mit Chordomrezidiv. Um ein besseres Verständnis hinsichtlich der im Rahmen der Rezidivierung relevanten molekularbiologischen und -genetischen Prozesse zu erlangen, erfolgte die vergleichende Charakterisierung der Zelllinien U-CH11 und U-CH11R, mit welchen erstmals ein in vitro-Zellkulturmodell eines sakralen Primarius und Rezidivchordoms desselben Patienten zur Verfügung steht. Wenngleich U-CH11R eine distinkte Zytomorphologie und deutlich schnellere Proliferationsraten präsentierte, zeigten sich im Vergleich zu U-CH11 starke Ähnlichkeiten hinsichtlich chromosomaler Alterationen und genetischer Mutationen mittels Array Comparative Genomic Hybridization-basierten Karyotypisierungen und in RNA-Sequenzierungen. Deutliche Differenzen zwischen beiden Zelllinien ergaben sich hingegen in der Microarray-Expressionsanalyse. Um die differenziellen Transkriptionsmuster zwischen Primarius und Rezidiv zu validieren, erfolgte mittels einer Rank-Rank- Hypergeometric-Overlap-Analyse der Vergleich zu einem weiteren Expressionsdatensatz aus jeweils drei ungepaarten Primarius- und Rezidiv- Chordomzelllinien. In den Expressionssignaturen beider Datensätze zeigten sich hierbei deutliche Überschneidungen, welche insbesondere auch eine Überexpression zahlreicher HOX-Gene und PBX-Cofaktoren in den Rezidivzelllinien umfassten. Es wurde gezeigt, dass möglicherweise verminderte Level der MicroRNA-196a-5p für diese Dysregulation ursächlich sind. Der Einfluss dieser MicroRNA auf ausgewählte HOX-Gene konnte mittels Luciferase-Assays und miRNA-Mimic Transfektionen bestätigt werden. Um zu prüfen, ob die HOX/PBX-Interaktion als therapeutischer Angriffspunkt in Chordomen genutzt werden kann, erfolgte die Behandlung verschiedener Primarius- und Rezidiv-Linien mit dem inhibierenden Peptid HXR9. Anschließende MTS-Viabilitätsmessungen ergaben eine deutliche Reduktion der Zellviabilität, wobei Zelllinien aus Chordomrezidiven sensitiver gegenüber HXR9 reagierten. In Western Blot Analysen und EarlyTox Caspase-3/7 NucView 488 Assays konnte bestätigt werden, dass hierfür apoptotische Prozesse mitverantwortlich sind. Zudem wurde gezeigt, dass die HXR9-induzierte Apoptose durch eine cFOS-Überexpression vermittelt wird. In Normalzellen führte HXR9 hingegen erst in hohen Konzentrationen zur Verminderung der Zellviabilität und stellt folglich einen vielversprechenden neuen Therapieansatz in Chordomen dar.
Der zweite Teil der Arbeit befasste sich mit den Protein-Interaktionspartnern des Chordom-Schlüsseltreibers Brachyury. In Co-Immunopräzipitationen von Brachyury aus vier Chordomzelllinien und anschließenden massenspektrometrischen Analysen zeigte sich eine potenzielle Interaktion mit dem multifunktionellen Enzym CAD, welches die ersten drei Schritte der de novo Pyrimidinsynthese katalysiert. Zur Bestätigung erfolgten weitere Co-Immunopräzipitationen und Proximity Ligation Assays an Zytospins aus Chordomzelllinien. An Chordomgewebeproben konnte die Brachyury-CAD-Interaktion mittels Proximity Ligation Assays auch in situ bestätigt werden. Proteinkomplexe stellten sich sowohl zytoplasmatisch als auch nukleär dar. Lokalisations-determinierende Sequenzmotive innerhalb des TBXT-Gens wurden mittels ortsgerichteter Mutagenese verändert, um die subzelluläre Verteilung von Brachyury auf den Nucleus oder das Zytoplasma zu beschränken. Anschließende Co-Immunopräzipitation-Versuche bestätigten das Vorkommen von Brachyury- CAD-Komplexen in beiden Kompartimenten. Um die Interaktion von CAD und Brachyury zu kartieren, wurden Expressionskonstrukte der verschiedenen CAD- und Brachyury-Domänen generiert. Durch Co-Immunopräzipitationen konnte gezeigt werden, dass Brachyury über seine DNA-Bindungsdomäne mit der ATC- Domäne von CAD interagiert. Aufgrund der Schlüsselrolle von CAD an der de novo Pyrimidinsynthese wurde untersucht, ob Brachyury durch die Interaktion mit CAD zu zellmetabolischen Veränderungen führt. Metabolom-Analysen lieferten hierbei erste Hinweise, dass insbesondere Brachyury-G177D durch die Interaktion mit CAD den Pyrimidin-Metabolismus stimuliert und über diesen Mechanismus möglicherweise zur Pathogenese von Chordomen beiträgt.
Erstellung / Fertigstellung
2022
Schlagwörter
[GND]: Onkologie | Chordom | Rezidiv | Tumorwachstum | Zelllinie[MeSH]: Chordoma | Brachyura | Neoplasms; Genetics | Cell line
[Freie Schlagwörter]: Brachyury | Tumorprogression | Zelllinienmodell | Proteininteraktion
[DDC Sachgruppe]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Nutzen Sie bitte diesen Identifier für Zitate & Links: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48831
Seeling, Carolin (2023): Molekulare Charakterisierung primärer und rezidivierter Chordome und Untersuchungen zu Protein-Interaktionen des Chordom-Schlüsseltreibers Brachyury. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48831
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