Einstellungen von jungen Erwachsenen zum Lebensende im Vergleich mit den Einstellungen von Sterbenden anhand des Konstruktes „Antizipatorische Daseinsverabschiedung“

Erstveröffentlichung
2023-05-25Authors
Kramer, Sarah
Referee
Valdés-Stauber, JuanAllroggen, Marc
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie IUKU. Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
Abstract
Hintergrund: Sterben ist ein existentielles Thema, letztlich eine Grenzsituation, die menschliche Grenzsituation schlechthin. Für Menschen im Sterbeprozess wurde das anthropologisch basierte Konstrukt der „Antizipatorischen Daseinsverabschiedung“ entwickelt, das davon ausgeht, dass sich Grunddimensionen des Menschseins im Angesicht des Todes in besonderer Weise aktualisieren. Eine empirische Übersetzung dieses Konstruktes ergibt einen gleichnamigen Fragebogen (AFEQT), der bereits bei älteren Menschen und bei sterbenden Menschen eingesetzt und untersucht wurde.
Fragestellung: Die Studie geht primär der Frage nach, wie die Einstellung von jungen Erwachsenen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ableben anhand von zwei Fragebögen zu erfassen ist. In einem zweiten Schritt, um diese Ergebnisse bewerten zu können, werden die Antwortprofile mit denjenigen von Sterbenden verglichen.
Material und Methoden: Die Stichprobe (N=152) besteht aus 17-25 jährigen jungen Erwachsenen ohne zum Tode führende Erkrankung, die 2019-2020 nach Aufklärung der Untersuchung zugestimmt haben. Neben den Dimensionen des Fragebogens zur Antizipatorischen Daseinsverabschiedung (AFEQT) und des Life-Attitude-Profile (LAP-R) als primäre bzw. Zielvariablen wurden soziodemographische und klinische Variablen, Persönlichkeitsdimensionen anhand des Big-Five-Inventory (BFI-10), persönliche Ressourcen anhand der Skala zur Generalisierten Selbstwirksamkeit (GSW-6) und der Skala der Internalen-Externalen-Kontrollüberzeugung (IE-4) erfasst. Die interne Konsistenz wird mit Cronbachs alpha ermittelt und die konvergente Validität zwischen den Dimensionen von AFEQT und LAP-R anhand von Korrelationsmatrizen erfasst. Die Unterschiede der Dimensionen und Faktoren des AFEQT zwischen jungen Erwachsenen und Sterbenden (Daten von Stabenow (2022)) wurden mittels bivariaten Tests und multivariaten Regressionsmodellen mit robusten Schätzern ermittelt. Ergänzend wurden die multivariaten Regressionsmodellen mit propensity scores berechnet. Diese Untersuchung wurde von der Ethikkommission der Universität Ulm genehmigt (Reg.-Nr. 02/19).
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Ergebnisse: Die interne Konsistenz ist für die Dimensionen des AFEQT und des LAP-R ausreichend. Es zeigt sich eine weitgehende konvergente Validität zwischen den Dimensionen des AFEQT und des LAP-R. Junge Erwachsene scoren im Vergleich zu den Sterbenden für alle Dimensionen und Faktoren des AFEQT statistisch signifikant niedriger. Die Unterschiede zwischen den Gruppen zeigen sich sowohl in den bivariaten Tests, als auch in den multivariaten Modellen und unter Anwendung von propensity scores. Besonders stark sind die Unterschiede für die Faktoren „Abschied“ und „Annahme“ im AFEQT. Im Vergleich fallen die Unterschiede für die Dimensionen „Daseinsversöhnung“ und „Altruistische Sorge“ geringer aus. Das weibliche Geschlecht, Selbstwirksamkeitsüberzeugung sind positiv assoziiert mit der Ausprägung der Dimensionen des AFEQT und des LAP-R.
Diskussion: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Fragestellungen, die mit dem eigenen Lebensende zu tun haben, auch für junge Erwachsene von Bedeutung sind. Darüber hinaus kann gesagt werden, dass die Ausprägungen der einzelnen Dimensionen und Faktoren bei Sterbenden wesentlich höher liegen als möglicher Ausdruck einer stärkeren Auseinandersetzung mit den Grundthemen menschlichen Lebens im Angesicht des Todes. Für diese Stichprobe lässt sich sagen, dass der Fragebogen AFEQT interne Konsistenz aufweist und eine ausreichende konvergente Validität im Vergleich mit dem LAP-R, der vielfach validiert wurde. Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass der Fragebogen für sterbende Menschen konzipiert wurde und deshalb manche Fragen für junge Erwachsene befremdlich wirken könnten. Daher könnten die Dimensionen und weniger die einzelnen Fragen bei jungen Erwachsenen dazu dienen, existentielle Fragen um den Tod anzustoßen, etwa in Seminaren und in Reflexionsgruppen. Der angewandte quantitative Ansatz kann dieser Argumentation folgend mit einem qualitativen Ansatz ergänzt werden, etwa unter Einsatz semi-strukturierter Interviews mit anschließender Kategorisierung der impliziten Grundthemen.
Date created
2021
Subject headings
[GND]: Jugend | Tod | Sterben[LCSH]: Death
[MeSH]: Adolescent | Attitude to death
[DDC subject group]: DDC 150 / Psychology | DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48798
Kramer, Sarah (2023): Einstellungen von jungen Erwachsenen zum Lebensende im Vergleich mit den Einstellungen von Sterbenden anhand des Konstruktes „Antizipatorische Daseinsverabschiedung“. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-48798
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