Die prognostische Bedeutung von Patientenmerkmalen und ICF-Faktoren für den Behandlungsverlauf und die sozialmedizinische Entwicklung nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation

Erstveröffentlichung
2017-06-07Authors
Oster, Jörg
Müller, Gottfried
Wietersheim, Jörn von
Braunger, Carina
Bericht
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Psychosomatische Medizin und PsychotherapieExternal cooperations
Deutsche Rentenversicherung Baden-WürttembergAbstract
Ziel der Studie war es zu untersuchen, ob ICF-gestützte Daten für eine Vorhersage zum Behandlungsverlauf und zur sozialmedizinischen Entwicklung nach der stationären psychosomatischen Rehabilitation geeignet sind. Die Studie wurde in der Schlossklinik Bad Buchau durchgeführt und von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg gefördert. Die Projektlaufzeit war von Mitte April 2014 bis Ende April 2016. Als Zielkriterien wurden die berufliche Wiedereingliederung („return to work“, RTW), die Umsetzung der Empfehlungen „Sport und Bewegung“ und „Psychotherapie“ sowie die Umsetzung sozialmedizinischer Empfehlungen sechs Monate nach Reha-Ende gewählt. Als mögliche Prognosefaktoren wurden neben ICF-gestützten Daten verschiedene personen- und krankheitsbezogene Daten erhoben. Es gab drei Messzeitpunkte: t1 (Reha-Beginn), t2 (Reha-Ende) und t3 (sechs Monate nach Reha-Ende). An der Studie nahmen n = 444 Rehabilitanden teil. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 84 %. Insgesamt konnten zu t3 55% der erreichten Teilnehmer als erfolgreich wiedereingegliedert eingestuft werden. Die Erfolgsquoten hinsichtlich der Umsetzung der Empfehlungen Zu t3 waren 70% erfolgreich in der Umsetzung der Empfehlung zu Sport und Bewegung. 45% setzten die Empfehlung zu Psychotherapie um. 44% setzten eine sozialmedizinische Empfehlung erfolgreich um. Analysen zeigten, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlung zu Sport und Bewegung eher denjenigen gelingt, denen es bereits besser geht. Allerdings sind hier die Zusammenhänge eher gering, so dass man mit Schlussfolgerungen zurückhaltend sein sollte. Hinsichtlich der Empfehlung „Psychotherapie“ erwiesen sich vor allem längere Arbeitsunfähigkeitszeiten im Jahr vor Reha-Beginn, das Vorhandensein eines Barrierefaktors aus dem Bereich „Mensch“, ein geringeres Alter, eine größere Symptombelastung sowie die Entlassung aus der Rehabilitation als arbeitsunfähig als Prognosefaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung. Die sozialmedizinischen Empfehlungen werden eher umgesetzt von männlichen Personen, bei besserem subjektivem körperlichem Befinden, höherer Behandlungsmotivation, Arbeitsunfähigkeit und höherer subjektiver Einstufung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Hinsichtlich des Zielkriteriums RTW ergaben die Analysen, dass die ICF-gestützten Daten teilweise von höherer prognostischer Bedeutung waren als gängige krankheitsbezogene Daten wie z.B. die Symptombelastung von Patienten. Der RTW gelingt eher bei Patienten mit besserer Fremdeinschätzung des Allgemeinen Funktionsniveaus und bei Vorliegen typischer sozialmedizinisch günstiger Bedingungen wie eine positive subjektive Erwerbsprognose, ein zu Reha-Beginn bereits vorhandener Arbeitsplatz, Aufnahme und Entlassung als arbeitsfähig, eine subjektiv höhere Einstufung der beruflichen Leistungsfähigkeit und eine Fremdbeurteilung der Leistungsfähigkeit von 6h und mehr. Die wichtigsten positiven, ICF-gestützten Prognosefaktoren waren eine geringere subjektive Beeinträchtigung von Aktivitäten insgesamt, das Nicht-Vorhandensein von Barrierefaktoren aus den Bereichen „Dienste“ und „Mobilität“, das Vorhandensein eines Förderfaktors aus dem Bereich „Mensch“ sowie eine fremdeingeschätzte geringere Beeinträchtigung von Aktivität und Teilhabe in den Bereichen „Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit“ und „Flexibilität und Umstellungsfähigkeit“. Die schwachen Zusammenhänge hinsichtlich des Zielkriteriums „Umsetzung der Empfehlung Sport und Bewegung“ deuten darauf hin, dass eher andere Faktoren von prognostischer Bedeutung sind. Bei der Vorhersage der Umsetzung der Empfehlung zu Psychotherapie scheinen Beeinträchtigungen sowohl auf Symptomebene, als auch auf Ebene der Funktionsfähigkeit im Sinne der ICF eine Rolle zu spielen. Den weniger Beeinträchtigten gelingt die Umsetzung schlechter, womöglich weil sie selbst weniger Behandlungsbedarf verspüren. Eine Empfehlung zu Psychotherapie seitens des Bezugstherapeuten spricht jedoch für eine Notwendigkeit zu poststationärer psychotherapeutischer Behandlung auch bei solchen Patienten. Das Einbeziehen von ICF-gestützten Daten bei der Therapieplanung zu Reha-Beginn und dem abschließenden Entlassgespräch am Ende des Reha-Aufenthaltes könnte helfen, solche Patienten zu identifizieren und mögliche Barrieren bei der Umsetzung zu thematisieren bzw. deren Motivation für eine Umsetzung zu fördern. Hinsichtlich des Zielkriteriums Umsetzung sozialmedizinischer Empfehlungen ist ein schlechtes körperliches Befinden eher hinderlich, was bei der sozialmedizinischen Beratung am Ende der Rehabilitation beachtet werden sollte. Subjektiv eher schlechtere Einschätzungen in Bezug auf sozialmedizinische Parameter wie z.B. die Erwerbsprognose oder die berufliche Leistungsfähigkeit wirken sich eher negativ auf eine Umsetzung aus. Diese Patienten sind möglicherweise weniger motiviert, eine berufsbezogene Empfehlung umzusetzen, was sich auch in einer geringeren Behandlungsmotivation bereits zu Reha-Beginn wiederspiegelt. Die Förderung der Arbeitsmotivation solcher Patienten sollte deshalb unter anderem Ziel im Rahmen der Rehabilitation sein. Auch von den ICF-gestützten Daten sind vor allem subjektiv eingeschätzte Faktoren von Bedeutung, was die Forderung nach Patientenorientierung und ICF-Bezug bei der Ergebnismessung in der Rehabilitation bestärkt. Insgesamt scheint ein Teil der ICF-gestützten Faktoren für die Vorhersage der Umsetzung von Empfehlungen aus dem ärztlichen Entlassbericht geeignet, was die Bedeutung der ICF in der psychosomatischen Rehabilitation und somit auch die Empfehlung zur weiteren Entwicklung von praxistauglichen Anwendungshilfen unterstreicht.
Projektlaufzeit: 16.04.2013 bis 30.04.2016
Date created
2013-04-16/2016-04-30
Subject headings
[GND]: Klassifikation | Sozialmedizin | Rehabilitation[MeSH]: International Classification of Functioning, Disability and Health | Psychosomatic medicine; Classification | Psychiatric rehabilitation; Classification | Social medicine | Psychophysiologic disorders; Rehabilitation
[Free subject headings]: ICF | Psychosomatische Rehabilitation | Schlossklinik Bad Buchau
[DDC subject group]: DDC 150 / Psychology | DDC 610 / Medicine & health
Metadata
Show full item recordDOI & citation
Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-4370
Oster, Jörg et al. (2017): Die prognostische Bedeutung von Patientenmerkmalen und ICF-Faktoren für den Behandlungsverlauf und die sozialmedizinische Entwicklung nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-4370
Citation formatter >