Analyse der 13C-Acetatatemgastestergebnisse zur individuellen Charakterisierung der Magenentleerung bei Intensivpatienten

Erstveröffentlichung
2022-01-14Authors
Bernhard, Lukas
Referee
Barth, EberhardHuber-Lang, Markus
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Anästhesiologie und IntensivmedizinUKU. Institut für Klinische und Experimentelle Trauma-Immunologie
Abstract
Dem Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) kommt in der Intensivmedizin eine außerordentliche Bedeutung zu. Bei einer kritischen Erkrankung wird der GI-Trakt durch das fehlgeleitete Zusammenspiel von Epithel, GALT (gut associated lymphoid tissue), Mikrobiom und darmeigenem Nervensystem zum „motor of critical illness“. In Folge bakterieller Translokation und Freisetzung toxischer Mediatoren kann ein Multiorganversagen resultieren. Um diesem Circulus vitiosus vorzubeugen, empfehlen intensivmedizinische Leitlinien die frühe Einleitung einer enteralen Ernährung. Allerdings liegt bei bis zu 50% aller Intensivpatienten eine Nahrungsintoleranz vor, sodass die Einleitung der enteralen Ernährung zum richtigen Zeitpunkt und in richtiger Dosierung erfolgen muss. Hierzu muss der Funktionszustand des GI-Traktes, sprich die Absorptionsfähigkeit und die gastrointestinale Motilität, richtig beurteilt werden. Noch existiert kein validiertes Diagnostiktool zur Messung der GI-Funktion beim Intensivpatienten. Die klinische Beurteilung erfolgt mehr intuitiv als objektiv. Da sich Motilitätsstörungen in einer zeitverzögerten Magenentleerung wiederspiegeln, kann mittels nicht-invasivem, nicht-radioaktiv-markiertem Acetat-Atemgastest der Funktionszustand des GI-Traktes beurteilt werden. Bisherige Auswerteverfahren wie der GEC (gastric emptying coefficient) -Ansatz oder der BEX (ß-exponential approach) ziehen für die Beurteilung der GI-Funktion die Magenentleerungsgeschwindigkeit heran. Physiologische Stoffwechselprozesse im Körper werden nicht oder nur stark vereinfacht berücksichtigt, sodass nur einphasige Magenentleerungsmuster abgebildet werden.
In vorliegender Dissertation wurde untersucht, ob die Magenentleerungsgeschwindigkeit allein ausreicht, um den Funktionszustand des GI-Traktes zu beurteilen. Es wurde untersucht, ob die bisherigen Limitationen in der Interpretation des 13C-Atemgastests mithilfe eines neuen Auswerteverfahrens, dem MRA (marginalization and regularization approach) überwunden werden können. Zudem wurde evaluiert, wie häufig und präzise Magenentleerungsstörungen unter Berücksichtigung der Tracerkinetik und -metabolisierung detektiert werden können. Ferner wurden Zusammenhänge zwischen den Testergebnissen und der GI-Funktion des Patienten aufgezeigt.
In vorliegender Studie wurde an 29 beatmeten Intensivpatienten der Acetat-Atemgastest durchgeführt. Die Messung der Acetatabsorption wurde mittels Isotopen-markiertem 13C-Acetat durchgeführt. Die Atemgasdaten wurden mit dem MRA ausgewertet.
Die Magenentleerungsgeschwindigkeit für die Intensivpatienten zeigte sich bei der Auswertung durch den MRA im Vergleich zum BEX um 215 % erhöht (Zeitpunkt bei dem 50% des Tracers absorbiert sind t50 1,70 h ± 1,0 h vs. 0,79 h ± 0,46 h; p<0,0001). Bei der Auswertung durch den MRA zeigten 21 von 29 (72,4%), durch den BEX 13 von 27 (48%) Intensivpatienten eine verlangsamte Magenentleerung. Dabei zeigte sich die relative Streubreite, ein Maß für die Genauigkeit der Ergebnisse, bei der Auswertung durch den MRA im Vergleich zum BEX um 48% reduziert (0,27 ± 0,12 vs. 0,56 ± 0,4). Die Ergebnisse des MRA waren somit deutlich genauer. Mit dem MRA konnten mehr Patienten mit verlangsamter Magenentleerung richtig detektiert werden.
Zudem konnten mit dem MRA mehrphasige Absorptionsprofile bestimmt werden. Von den 29 Intensivpatienten zeigten 17 ein annährend einphasiges, vier ein annährend zweiphasiges und acht ein irreguläres Magenentleerungsmuster. Es konnte gezeigt werden, dass einphasige Magenentleerungsmuster im Vergleich zu irregulären Magenentleerungsmustern mit einer deutlich schnelleren Magenentleerung einhergehen (t50(MRA) 0,98 h ± 0,36 h vs. 2,9 h ± 0,69 h). Der MRA erfasst qualitativ, was andere Auswerteverfahren nur durch fehleranfällige Parameter beschreiben können.
Ferner wurde gezeigt, dass der Parameter GEC durch die CO2-Produktion und den Anteil des Tracers, der oxidiert wird, beeinflusst wird. Mit dieser Aufschlüsselung konnten physiologische Einflussgrößen der Tracerkinetik charakterisiert werden. Mit dem MRA konnten bei 13 der 29 Intensivpatienten periodisch ablaufende Magenentleerungsmuster gefunden werden, deren zeitliche Abfolge mit dem MMC (migrating motor complex) übereinstimmen. Unsere Daten zeigen, dass das Vorliegen oder Fehlen der periodischen Wellen mit der Funktionalität des MMC und damit der Toleranz gegenüber enteraler Ernährung zusammenhängt. Die Beobachtungen decken sich mit Ergebnissen früherer Studien, die mit invasiver Manometrie durchgeführt wurden.
Insgesamt wurde gezeigt, dass mit dem MRA selbst komplexe Magenentleerungsverläufe zuverlässig rekonstruiert werden können. Bisherige Limitationen in der Auswertung der Atemgastests wurden überwunden. Die Tür für eine routinemäßigen Anwendung des 13C-Atemgastests zur individuellen Beurteilung der GI-Funktion wurde geöffnet. Je nach Funktionszustand des GI-Traktes könnten während bettseitiger Anwendung individuelle Ernährungskonzepte in-time angepasst werden.
Date created
2020
Subject headings
[GND]: Intensivmedizin | Atemgasanalyse | Sondenernährung | Parenterale Ernährung | Gastrointestinale Motilitätsstörung[MeSH]: Critical care | Enteral nutrition | Parenteral nutrition | Gastrointestinal motility | Breath tests
[Free subject headings]: Atemgastest | Enterale Ernährung | 13C-Acetat | Acetatatemgastest | Marginalization and Regularization approach | MRA
[DDC subject group]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-40869
Bernhard, Lukas (2022): Analyse der 13C-Acetatatemgastestergebnisse zur individuellen Charakterisierung der Magenentleerung bei Intensivpatienten. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-40869
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