Wahrnehmung biologischer Bewegung auf Verhaltensebene und im EEG bei ALS-Patienten

Erstveröffentlichung
2016-07-19Authors
Schombara, Marceline
Referee
Pinkhardt, ElmarGahr, Maximilian
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für NeurologieUKU. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III
Abstract
Es wurde in vorangegangenen Studien gezeigt, dass es bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) zu funktionellen Veränderungen bei der Verarbeitung von Reizen kommt. In der vorliegenden Arbeit wurde die Wahrnehmung von einfachen Bewegungsreizen, die durch light point figures gesetzt wurden, bei Patienten mit ALS im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe untersucht. Es wurde die Hypothese überprüft, dass ALS-Patienten aufgrund kompensatorischer Aktivierungen biologische Bewegungen besser wahrnehmen als gesunde Kontrollpersonen.
Bei allen teilnehmenden Personen erfolge die Durchführung einiger kognitiv-psychologischer Verfahren, u.a. zum Ausschluss von dementiellen Prozessen. Außerdem wurde zur Sicherstellung einer guten Sehfunktion eine optische Messung mittels Perimeter und Visustafel durchgeführt.
Zur Erfassung der Verarbeitung biologischer Bewegung wurden beiden Gruppen Filmsequenzen in drei Blöcken à 24 Filme gezeigt. Es gab zwei Arten von Filmen: in den einen war die oben beschriebene biologische Bewegung, maskiert mit unkoordiniert sich bewegenden zusätzlichen weißen Punkten (Rauschen), zu sehen. Die anderen beinhalteten nur eine Darbietung der Maskierung ohne biologische Bewegung. Die Anweisung war bei Erkennen einer biologischen Bewegung einen Knopf zu betätigen.
Gleichzeitig wurde über zwei Elektroden, die über der präzentralen Kortexregion angeordnet waren, ein EEG aufgezeichnet zur Darstellung des sogenannten µ-Rhythmus. Dieser zeigt die Aktivität von bestimmten Neuronen (mirror neurons), die bereits bei Beobachtung von Bewegungen ihr Potential ändern.
In den kognitiv-psychologischen Testungen zeigten sich zum Teil signifikante Unterschiede. Zum Beispiel nannten ALS-Patienten bei der Testung der verbalen Fluenz signifikant weniger Wörter, vereinbar mit einer in der Literatur beschriebenen Minderfunktion, die auch schon vor dem Beginn der bulbären Symptome messbar ist. Auch bei der Aufmerksamkeit und der non-verbalen Fluenz zeigten die ALS-Patienten ein leicht signifikant schlechteres Ergebnis. Hinsichtlich der Depressionsrate zeigte etwa ein Drittel der ALS-Patienten eine klinisch relevante depressive Symptomatik, jedoch ohne Korrelation zur Ausprägung der motorischen Defizite.
Die Auswertung der Verhaltensdaten erbrachte keinen Unterschied beider Gruppen in der Zahl der absoluten Knopfdrücke. Bei beiden Gruppen stieg die Anzahl aller Knopfdrücke als auch die der „falsch positiven“ Knopfdrücke mit dem Grad des Rauschens. Es fand sich jedoch ein signifikanter Unterschied betreffend der Reaktionszeit in Abhängigkeit vom Grad des Rauschens, d.h. die ALS-Patienten benötigten mit zunehmender Maskierung mehr Zeit als die Kontrollpersonen. Weder eine reduzierte Aufmerksamkeitsleistung noch motorische Einschränkungen konnten die verlängerte Verarbeitungszeit erklären. Die EEG-Messungen zeigten bei beiden Gruppen eine signifikante Veränderung des µ-Rhythmus. Es kam zu einer deutlichen Suppression bei Beobachtung von Bewegung, die maximal bei purer Darstellung der Bewegung (d.h. ohne Rauschen) war. Man konnte sehen, dass bei zusätzlichem Rauschen die Suppression geringgradiger ausgeprägt war.
Zusammenfassend konnte die initial aufgestellte Hypothese, dass ALS-Patienten biologische Bewegungen aufgrund von Kompensationsmechanismen besser wahrnehmen können, mit den durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigt werden. Es zeigte sich stattdessen eine reduzierte Verarbeitungsgeschwindigkeit, die die Hypothese der veränderten Verarbeitung von Bewegungen in Abhängigkeit von der alltäglichen Relevanz untermauert. Zur weiteren Untersuchung und Überprüfung, wie die Wahrnehmung von biologischer Bewegung bei ALS-Patienten aufgrund der bekannten Veränderung der funktionellen Verarbeitung von Reizen verändert ist, empfiehlt sich die Durchführung von Studien mit einem größeren Patientenkollektiv.
Date created
2015
Subject headings
[GND]: Myatrophische Lateralsklerose | Wahrnehmung | Kognition | Elektroencephalogramm | Reorganisation[MeSH]: Amyotrophic lateral sclerosis | Electroencephalography | Cognition | Perception | Movement
[Free subject headings]: Biologische Bewegung | Wahrnehmung | Kognition | Mu-Rhythmus | Biological motion
[DDC subject group]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-4051
Schombara, Marceline (2016): Wahrnehmung biologischer Bewegung auf Verhaltensebene und im EEG bei ALS-Patienten. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-4051
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