Misshandlung in der Kindheit: Auswirkung bei Müttern auf postpartales Stresserleben und Bindungsrepräsentation im Erwachsenenalter

Erstveröffentlichung
2016-05-13Authors
Lehrl, Katharina Susanne
Referee
Waller, ChristianeBuchheim, Anna
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Psychosomatische Medizin und PsychotherapieAbstract
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Misshandlung in der Kindheit
und Jugend, subjektivem Stresserleben nach der Geburt und beim Übergang in die
Elternschaft und der Rolle der Bindung im Erwachsenenalter. Dies wurde an einer
Stichprobe von 140 Müttern ein bis drei Tage nach der Geburt und 61 Frauen drei Monate
nach der Geburt ihres Kindes erhoben.
Misshandlung in der Kindheit wurde einige Tage nach der Geburt retrospektiv mittels des
Childhood Trauma Questionnaire und einem Teil des Childhood Experience of Care and
Abuse Questionnaire’s ermittelt. Letzteres erhob in unserer Studie die Subskalen
„Vernachlässigung“ und „Antipathie“. Subjektives Stresserleben wurde mit der Perceived
Stress Scale 4 sowohl einige Tage nach der Geburt, als auch drei Monate danach erhoben.
Bindung im Erwachsenenalter wurde drei Monate nach der Geburt mittels des Adult
Attachment Projective Picture System ermittelt.
Es konnte gezeigt werden, dass verschiedene Missbrauchsformen interkorrelieren. Die
verschiedenen Missbrauchsformen gehen also Hand in Hand und treten selten einzeln auf.
Es konnte ein signifikanter Unterschied beim Bericht von Missbrauch in der Kindheit
zwischen unsicher und sicher gebundenen Müttern aufgezeigt werden, jedoch kein
Unterschied zwischen sicher gebundenen Müttern und Müttern mit unverarbeitetem
Bindungsstatus. Möglicherweise könnte der Zusammenhang mit einer größeren Stichprobe
signifikant werden. Es könnte jedoch auch daran liegen, dass in der Studie „Meine Kindheit
– Deine Kindheit“ viele Jahre zwischen Missbrauch und Erhebung des Bindungstyps lagen
und die multifaktorielle Entstehung desorganisierter Bindung die Ergebnisse
beeinträchtigt. Auch könnten methodische Schwierigkeiten der Erhebung von Bindung im
Erwachsenenalter für dieses Ergebnis verantwortlich sein.
Des Weiteren gab es einen positiven Zusammenhang zwischen Missbrauchserfahrungen in
der Kindheit und Stresserleben vor allem nach der Geburt, aber auch beim Übergang in die
Elternschaft. Dieser Zusammenhang wurde in einer Regression für emotionalen
Missbrauch signifikant. Dass sich die Ergebnisse beim Messzeitpunkt nach drei Monaten
nur für wenige Missbrauchsformen auf einem geringeren Signifikanzlevel zeigten, könnte
an einer Veränderung des Stressors liegen oder an einer Verfälschung der Angaben der
Mütter durch soziale Erwünschtheit.
Ein Unterschied zwischen subjektivem Stresserleben nach der Geburt und drei Monate
später zwischen sicher und unsicher gebundenen Müttern konnte nicht gezeigt werden. Es
wurden jedoch keine Kovariaten, wie beispielsweise der vermehrte Einsatz von
Copingstrategien, erhoben. Somit konnte nicht geklärt werden, ob es tatsächlich keine
Unterschiede gibt oder ob gewisse Stressoren möglicherweise trotzdem vermehrten
Einfluss auf unsicher oder sicher gebundene Mütter hatten, welcher jedoch noch
kompensiert wurde.
Es konnte nicht gezeigt werden, dass Bindung im Erwachsenenalter den Zusammenhang
von Misshandlung in der Kindheit und Stresserleben nach der Geburt mediiert.
Für weitere Studien auf diesem Feld wäre es sinnvoll, eine größere und repräsentativere
Stichprobe zu analysieren. Des Weiteren wäre eine differenzierte Erfassung von Stress und
Copingstrategien wünschenswert. Falls möglich, könnte eine prospektive Erfassung von
Missbrauch neue Erkenntnisse bringen. Auch die Stabilität desorganisierter Bindung
beziehungsweise der Übergang in den unverarbeiteten Bindungsstatus könnte noch weiter
untersucht werden. Hinsichtlich der Erhebung von Bindung könnte die Erhebung nach
Bartholomew (1991) in Betracht gezogen werden und es sollte die noch relativ junge
Methode der Bindungsanalyse durch Gesprächsbeobachtung im Hinterkopf behalten
werden.
In Deutschland muss vermehrte Aufklärung über Misshandlung von Kindern mit allen
Facetten und Folgen stattfinden. Im klinischen Alltag könnte über gezielte Hilfe für
misshandelte Mütter zur Reduktion des Stresserlebens, zum Beispiel durch
Copingstrategien, nachgedacht werden. Auch psychologische Interventionen auf der Ebene
der Bindung haben sich in der Vergangenheit als sinnvoll erwiesen, nicht zuletzt zur
Durchbrechung eines transgenerationalen „Cycle of Maltreatment“.
Date created
2016
Subject headings
[GND]: Kindesmisshandlung | Posttraumatisches Stresssyndrom | Geburt | Erwachsener | Affektive Bindung | Bindungsfähigkeit[MeSH]: Child abuse | Child abuse, sexual | Adult survivors of child abuse | Adult survivors of child averse events | Parent-child relations | Object attachment
[Free subject headings]: Misshandlung | Kind | Bindung | Erwachsenenalter
[DDC subject group]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-3961
Lehrl, Katharina Susanne (2016): Misshandlung in der Kindheit: Auswirkung bei Müttern auf postpartales Stresserleben und Bindungsrepräsentation im Erwachsenenalter. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-3961
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