Maximilian Sorg - Ein württembergischer Psychiater im Nationalsozialismus

Erstveröffentlichung
2021-01-05Authors
Fonrobert, Martina
Referee
Müller, ThomasWinckelmann, Hans-Joachim
Dissertation
Faculties
Medizinische FakultätInstitutions
UKU. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie IInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Abstract
Gegenstand dieser Dissertation ist die Bioergografie des u.a. in den Anstalten Weissenau und Zwiefalten tätigen Psychiaters Maximilian Anton Sorg (1877-1959), sowie seine Aktivität in den Jahren des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit im Zuge eines Wiedergutmachungsverfahrens. Als Teil eines übergeordneten Forschungsprojektes des Ravensburger Forschungsbereich verbindet die Arbeit zusammen mit weiteren akademischen Qualifikationsarbeiten in Ravensburg bioergografische und institutionshistorische Methodologien und trägt zur Aufarbeitung und einem Gesamtbild der lokalen Psychiatrie im Nationalsozialismus in Südwürttemberg bei. Sorgs beruflicher Werdegang, geprägt durch seine christliche Grundhaltung sowie partielle Vorbehalte gegenüber dem Nationalsozialismus, seine Ideologie und gesundheitspolitische Praxis, ist hierbei geeignet, mögliche Handlungsspielräume ärztlich Tätiger in Bezug auf die sogenannte „Euthanasie“ und die Zwangssterilisationen an PatientInnen zu untersuchen und die Nutzung solcher Spielräume im interindividuellen Vergleich zu untersuchen.
Maximilian Sorg kann diesbezüglich weder als „linientreu“ noch als „Widerständler“ bezeichnet werden und nimmt vielmehr eine Art „Zwischenposition“ ein: Während er einerseits in nationalsozialistischen Beurteilungen als „unzuverlässig“ sowie als „eifriger Kirchenbesucher“ charakterisiert wird und sich z.B. auch dem sog. Hitler-Gruß verwehrte, machte er sich andererseits als Mitorganisator früher Deportationen schuldig, entzog sich ethisch schwierigen, beruflichen Situationen z.B. durch Krankmeldung und führte durch Gutachten eine Vielzahl von Kranken der Zwangssterilisierung zu.
Infolge seiner Ambivalenz gegenüber der NS-Regierung wurde er trotz fachlich-medizinischer Eignung und Qualifikation nicht zum Leiter der Heil- und Pflegeanstalt Weissenau ernannt und nach einem kritischen Telefonanruf bei der übergeordneten Behörde, die Deportation von PatientInnen betreffend, in den Ruhestand gedrängt, da sich seine ideologischen Vorbehalte gegenüber dem Regime deutlich gezeigt hatten. Maximilian Sorg fühlte sich deshalb zurückgesetzt und übergangen, weshalb er 1951 eine Wiedergutmachungsklage einreichte, welche nach mehrmaliger Prüfung abgelehnt wurde.
Maximilian Sorg bemühte sich in seinem Handlungsrahmen darum, seine christlichen Werte zu leben. Er unterließ jedoch nicht, zu versuchen diese auch mit seinen persönlichen Vorteilen in Einklang zu bringen. Insgesamt kann seine ärztliche Haltung zwar als kritischer und reflektierter als diejenige vieler seiner KollegInnen bezeichnet werden, er blieb hinter der Haltung systematischer politischer Widerständigkeit dennoch weit zurück.
Date created
2019
Subject headings
[GND]: Sorg, Maximilian Anton *1877-1959* | Euthanasie <Nationalsozialismus> | Zentrum für Psychiatrie Weißenau | Drittes Reich[MeSH]: Euthanasia, Involuntary | National socialism; History | Mentally ill persons; History | History, 20th century
[Free subject headings]: Aktion T4 | Widerstand | Biografie | Ravensburg-Weissenau | Handlungsspielraum | Wiedergutmachungsklage | Christliche Grundhaltung | Karrierezurücksetzung
[DDC subject group]: DDC 610 / Medicine & health
Metadata
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Please use this identifier to cite or link to this item: http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-34166
Fonrobert, Martina (2021): Maximilian Sorg - Ein württembergischer Psychiater im Nationalsozialismus. Open Access Repositorium der Universität Ulm und Technischen Hochschule Ulm. Dissertation. http://dx.doi.org/10.18725/OPARU-34166
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