Aggressive Übergriffe und freiheitsentziehende Maßnahmen bei stationären Patientinnen und Patienten mit Asylbewerberstatus
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Date
2025-01-10
Authors
Koussemou, Ogouyem
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Dissertation
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Abstract
Die Reduzierung der Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen im Rahmen der stationären psychiatrischen Behandlung ist ein wichtiges Ziel der modernen psychiatrischen Versorgung. Erkenntnisse über mögliche Einflussfaktoren der Häufigkeit derartiger Maßnahmen bilden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Interventionsstrategien zu ihrer Vermeidung. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass geflüchtete Menschen häufiger von Zwangsmaßnahmen betroffen sind als Menschen ohne Fluchthintergrund. Über die Ursachen dieses erhöhten Risikos liegen aktuell nur wenige Erkenntnisse vor.
Im Rahmen der vorliegenden Studie sollte untersucht werden, ob für Patienten mit Fluchthintergrund ein höheres Risiko für aggressives Verhalten und für Zwangsmaßnahmen besteht und ob sich ggf. Hinweise auf den Einfluss von Selektionseffekten bzw. von Merkmalen des Behandlungskontextes, wie z.B. Sprachproblemen, ergeben. Zu diesem Zweck wurden retrospektiv die über das Klinikinformationssystem verfügbaren Daten der zwischen 01.01.2018 und 31.12.2019 auf allgemeinpsychiatrischen Stationen und Suchtstationen aufgenommenen Patienten in den Kliniken des Bezirks Oberbayern Isar-Amper-Klinikum Region München ausgewertet.
Neben statistischen Analysen mittels logistischer Regressionsmodelle unter Kontrolle bestimmter Merkmale (Alter, Geschlecht, Diagnose, Freiwilligkeit, Geflüchtete) wurden die pflegerische und die ärztliche Dokumentation der Krankenakten der Patienten mit Fluchthintergrund nach Hinweisen auf Sprachprobleme und den Einsatz von Dolmetschern durchsucht. Weiterhin wurden die Krankenakten der 22 geflüchteten Patienten mit aggressivem Verhalten im Hinblick auf die Kriterien der migrationsspezifischen Anamnese analysiert. Von 21947 aufgenommenen Personen hatten 555 (2,5%) einen Fluchthintergrund. Der Männeranteil lag bei den Patienten mit Fluchthintergrund (Geflüchtete) mit 80 % höher als bei den Patienten ohne Fluchthintergrund (55%). Der Anteil der Zwangseinweisungen lag bei den Patienten mit Fluchthintergrund mit 43,6 % signifikant höher als bei den Patienten ohne Fluchthintergrund (29,8 %).
Die Ergebnisse der multivariaten logistischen Regressionsanalysen zeigten, dass das Risiko von Zwangsmaßnahmen für geflüchtete gegenüber nicht-geflüchteten Patienten bei Isolationen um 75 % (OR 1,75; p=0,030) und bei Fixierung um 100 % (OR 2,039; p=0,001) erhöht war. Demgegenüber zeigten die Ergebnisse für die Häufigkeit aggressiver Übergriffe, unter Berücksichtigung der oben genannten Kontrollvariablen, kein erhöhtes Risiko für die Patienten mit Fluchthintergrund (OR 1,278; p<0,296).
In der Aktenanalyse konnte festgestellt werden, dass die geflüchteten Patienten größere Sprachprobleme hatten und trotz der größeren Sprachprobleme nur bei einem Drittel der Geflüchteten Dolmetscher eingesetzt wurden. Die Kriterien für eine migrationsspezifische Anamnese wurden nur in wenigen Fällen exploriert, manche wurden gar nicht exploriert.
Die vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die Annahme, geflüchtete Patienten seien per se gefährlicher oder aggressiver als nicht-geflüchtete Patienten, nicht zutrifft, sondern dass das höhere Aggressionspotenzial dieser Population primär aus ihrer geschlechts- und alters- und daraus resultierend auch ihrer diagnosespezifischen Zusammensetzung resultiert.
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Medizinische Fakultät
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UKU. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I
UKU. Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie
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Aggressiver Übergriff, Freiheitsentziehende Maßnahme, Psychiatrische Klinik, Flüchtling, Psychische Störung, Freiheitsentziehung, Zwangsmaßnahme, Commitment of persons with psychiatric disorders, Refugees; Psychology, Violence; Psychology, Coercion, DDC 610 / Medicine & health